Montag, 28. Dezember 2015

Englische Weihnachten, etwas surreal

Hatte ich eventuell schon erwähnt, dass hier alle dem Harry-Potter-Wahn verfallen sind? Der Sohn fragte also eines Tages, ob wir in diesem Jahr nicht mal englische Weihnachten machen könnten, wie bei Harry Potter. Okay, warum nicht ... Wir haben uns also belesen, sind hingefahren, haben vor Ort gestöbert, Dinge mitgebracht (ein Buch zum Thema und Christmas Pudding), Dinge dagelassen (mit Namen bedrucktes Geschenkpapier, Christmas Crackers), Dinge im Internet bestellt (Christmas Crackers) und noch mehr recherchiert.

Es war ein sehr anderer Heiliger Abend. Tatsächlich ohne Geschenke. Nur auf unser traditionelles Heiligabend-Essen wollte keiner verzichten, englische Weihnachten hin oder her. Damit wir tatsächlich morgens die Bescherung machen können, übernachtete sogar meine Mutter bei uns. Unfallfrei ging die Sache dann aber doch nicht über die Bühne. Zunächst zog MEL ein langes Gesicht, als er hörte, es gäbe keine Stolle. Und es gab keine Stolle, obwohl ich am Heiligen Abend im strahlenden Berliner Sonnenschein noch rasch auf Not-Stollenjagd gegangen bin (wo hab ich heute welche gesehen? Im Baumarkt, wo sonst.) Hab ich eben versucht, MEL mit mir und der Welt mittels Blätterteig wieder auszusöhnen, klappt ja sonst auch:

Blätterteig in lange, ca 2 cm breite Streifen schneiden, mit dünnen
Pflaumenscheiben belegen, Vanillezucker drüber, aufrollen.
Nur hätte ich die Röschen nicht in Muffinförmchen quetschen sollen, was zwar optisch super war, aber sie sind einfach nicht durchgebacken. Trotzdem, der Bouche de Noel, der an die aus Frankreich übernommeneTradition erinnert, an den 12 Tagen zwischen Weihnachten und Hl. Drei Könige im Kamin ein Stück Buchenstamm zu verbrennen, der war richtig gut. Auch ohne Stechpalme zum Dekorieren.

Brauner Bisquitteig mit Schokoladen-Buttercreme-Füllung,
keine Hexerei. Deko: Rosmarin und (nicht essbare) Beeren

Wir haben Weihnachtslieder gesungen und gespielt und zwischendurch einmal fast die Nerven verloren und eine Spontanbescherung erwogen, weil plötzlich alle, nicht nur die Kinder, maulig wurden, doch am Ende hatten wieder die Buddhisten recht: alles geht vorüber, auch knautschige Stimmung. Es war tatsächlich ein schöner heiliger Abend.

Bei uns hat sonst jeder einen Platz, wo er all seine Geschenke findet, diesmal kamen alle Geschenke zusammen unter den Baum. Als besonderen Clou wollte ich sie auf unseren Schlitten drapieren, zu etwas anderem werden wir die in dieser Saison ja wohl kaum brauchen. Damit meine Kinder nicht die Kufen über den Fußboden zerren, habe ich um die Kufen weißen Filz und Rest-Thermolan von der Decke gewickelt. Das sah dann eigentlich sogar ein bisschen nach Schnee aus, so im Rahmen des möglichen.


Als sich die Kinder am ersten Feiertag punkt sieben vor meinem Bett materialisierten und Frohe Weihnachten wünschten (ich hatte gesagt, vor sieben wünsche ich niemanden zu sehen), lag mir eigentlich was anderes auf der Zunge als "Merry Christmas" ...

Mitten in der Bescherung stieg MEL dann aus und brauchte Madam Pomfrey. Als der Notarzt kam, liefen noch immer Christmas Carols, die Kids packten ihre Geschenke aus, die umfilzten Schlitten mussten beiseite geschoben und mehrere Geschenke ratzfatz aus dem Weg geräumt werden. Keiner hatte gefrühstückt, der Notarztwagenchef sprach für meine Ohren gut gelaunt österreichisch (erklärte aber später, Eidgenosse und akzentfrei zu sein und gab mir das irre komische, aber beruhigende Gefühl, Komparse bei Wolf Haas zu sein) und konnte sich keinen Reim darauf machen, weshalb wir am ersten Feiertag morgens mitten in Geschenkpapierbergen und heillosem (Bescherungs-)Chaos saßen. Auf der einen Seite dieses Parallelweltenchaos' saß ein teilnahmsloser MEL mit Schlauch in der Nase, auf der anderen meine Kinder, die ihr Heil in der (Realitäts)Flucht suchten und in der Küche schob meine Mutter Panik.

Vielleicht machen wir nächstes Jahr einfach wieder ganz normal Weihnachten. Same procedure as every year sozusagen. MEL geht es übrigens wieder gut.


Hier unsere Socken in Erwartung von Santa Claus. Die kleinen Kinder und MEL hatten ihre selbst ausgeschnitten und auch die Motive dazu, ich hab nur noch auf- und zusammengenäht, der vom großen Kind (links unten) ist recycelt, auf meinen und den meiner Mutter hab ich nur Bänder genäht, mehr Geduld und Zeit war nicht, denn: house elves don't work here.

Ebenfalls auf der Strecke geblieben sind ein Gryffindorschal und ein kastanienbrauner Pullover a la Molly Weasley, beides hatte sich das kleine Kind gewünscht. Der Schal ist nicht fertig, aber schon sehr schön und für den Pullover gab es einfach keine kastanienbraune Wolle da, wo ich gesucht habe. Schließlich habe ich welche färben lassen, nur war die auch nicht rechtzeitig fertig und dem Kind schlussendlich nicht kastanienbraun genug (ist tatsächlich eher rostbraun, oder mit gutem Willen leicht-unreif-kastanienbraun). Dafür zeigte sich das große Kind entzückt ob der Farbe und bestellte sogleich einen Molly-Weasley-Pullover für sich. Und da waren sie wieder, meine drei Probleme ...

Achso, Tischdeko gab's natürlich auch für jeden. Statt Tischdecke nehme ich eine Rolle Geschenkpapier, in den Gläschen steht ein Teelicht in Form eines Sterns (alle Sterne inkl. Kerzen gab's bei Depot, das Grün ist Efeu mit Beeren), die Stiefelchen sind genäht und von dem alten Besteck rechts hab ich leider nur eins, unser Besteck ist aber auch schon ziemlich alt, noch mit Bakelitgriffen.

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