Sonntag, 11. Dezember 2011

Das Krepelchen

Manchmal funktionieren die Dinge ja einfach nicht, zum Beispiel ein Engel, den ich irgendwann um Ostern angefangen hatte. Bei Tilda näht man ganz raffiniert, man näht nämlich zuerst zwei unterschiedliche Stoffe zusammen und legt danach das Schnittmuster auf den Stoff, so bekommt man auch bei winzigen Teilen einen prima Übergang hin, am Halsausschnitt, an Stiefeln und Schuhen, an Händen und Ärmeln. Versucht man das mit zwei Nickistoffen, kann man ins Grübeln kommen. Schneidet man im Fadenlauf, legen sich die Härchen nicht ums Verrecken aneinander und  es wird eine räudige Ausschnittkante. Das kann man umgehen, wenn man den Stoff um 90 Grad dreht,  schwupps wird's eine würdige Büstenlinie. Danach tut man gut daran, den Stoff wieder zurückzudrehen und die Beine wie gewohnt im Fadenlauf zuzuschneiden, aber schlauer ist man bekanntlich immer hinterher. Ich habe also flugs auch die Beine noch quer zugeschnitten, dazu muss man wissen, Nicki ist querelastisch - die Beine werden beim Füllen also wahlweise länger oder breiter. Nun wünscht sich ja mancher, bei dem das Füllen in die Breite geht, es möge doch lieber in die Länge gehen, mag sein, dass das chicer wäre. Bei meinem Engelchen wurden die Beine lang und länger, Proportionen?? Wird überbewertet. Lange lag das unvollendete Engelchen im Weg, Arme hatte die Arme nicht, dafür Beine bis zum Boden und Knie an Stellen, wo jeder Orthopäde blöde kichert. 

Stehen eines Sonntagmorgens vier Rosen auf dem Küchentisch, reingequetscht in eine Weinflasche. Freudig überrascht gucke ich MEL an. Wo kommen denn die Rosen her? MEL: Da war heute nacht einer da.
Miss.Magacuki (grinsend): ach?! MEL: Ja, das Kind saß hier des morgens um halb sechs mit nem Typen in der Küche. MM: ?????!!!!!! Ich tobe und wüte, enttäuscht einerseits, dass die so männlich in die Flasche gequetschten Rosen mitnichten von MEL waren und erbost, dass dieser Endphasenpubi nachts Lover in meiner Küche! postiert. Dann dachte ich, vielleicht wollte sie ihn loswerden und befand unsere Küche als geeignetes Mittel.

Später stellt sich heraus, es war kein Lover, sondern sie saß da mit zwei Kumpels, von denen die eine ohnehin immer rein darf und der andere staunend und glücklich hier im Chaos stand und alles ganz furchtbar kreativ fand. Sagt das Kind. Er hätte völlig glücklich eine halbe Stunde lang alles in die Hand genommen und gedreht und gewendet, beguckt und bestaunt und sogar meinen unvollendeten Engel schön gefunden. Vielleicht hat sie all das nur gesagt, um mich zu beschwichtigen, aber egal, jedenfalls war es der Anstoß, a) doch mal wieder etwas Struktur in die Bude zu bringen und b) den Engel weiterzumachen.

Gegen die neuen zarten Weihnachtsengel nahm sich mein Querschläger natürlich noch unproportionierter aus. Ich nähe ihm Arme, die nicht mal bis zum Beinansatz reichen, irgendwie dehnten sie sich weniger als die Beine. Der Engel hatte jetzt einen Kopf ohne Haare und Gesicht nebst ellenlangen Beinen und viel zu kurzen Armen. Bisschen verkrepelt das ganze. Und nu? Ich wende mich an meinen Sohn: Sohn, frage ich, möchtest du mein Krepelchen? Der Sohn guckt verständnislos. Dein was? Ich erkläre ihm, Krepelchen = missglücktes Werk. Der Sohn sieht auf den Engel und strahlt über das ganze Gesicht. Ja!, haucht er glücklich. Dann kramt er in den Stoffen und zaubert einen Froschstoff hervor, aus dem er seit ewigen Zeiten ein Kissen wollte: Daraus bitte das Kleid! Hmpf. Aber vielleicht ist das bei einem richtigen Krepelchen auch schon egal.

Heute beim Ins-Bett-gehen suchen wir das Krepelchen, da fragt er: Mama, kann ich ab jetzt all deine Krepelchen haben? Soll ich ihm jetzt sagen, dass sein Dino-Lunchbag auch schon ein Krepelchen war?



Nachtrag zur Rettung seiner Männerehre: Natürlich knüllt er das Krepelchen hin und wieder zusammen und erklärt mit grimmiger Mine: Guck mal, das Krepelchen hat eine coole Waffe, das geht wie ein Bagugan (oder wie die Dinger heißen), hier faltet man es zusammen und dann ist DA! die Waffe!

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